Hurennoise – Kurwy krzyk [Cc_E_maru_MI]
Konzept sum ergo fellatio im April 2006


What song the syrens sang, or what name Achilles assumed when he did himself among women,
although puzzling questions are not beyond all conjecture.

Sir Thomas Browne, Hydriataphia, Urn Burial or a discourse of the Sepulchral Urns, 1658¹


Widerstand gegen den enormen Medienmüll, der sich ohne Unterlass über uns ergießt. Gegen die Unfreiheit, über sich und seine Sexualität nach eigenem Ermessen bestimmen zu können. Gegen mediale Plutokratie und gegen mediale Uniformität. Gegen medialen Machtmissbrauch und gegen Instrumentalisierung von Sexualität.

Die Essenz der Performance hurennoise ist das Bemühen, Sexualität und Machtmechanismen besser zu begreifen. Der Prostitution der SystemerhalterInnen soll eine klare Absage erteilt werden, und auch der medialen "Sündenbock-Strategie", denn das Zeremoniell des Sündenbocks stellt den Prototyp aller Ausstoßungsrituale dar. In Griechenland (Boötien) wurden laut Plutarch im 1.Jh.AD jedes Jahr ein oder mehrere Sündenböcke rituell aus dem Dorf gejagt. Dieses "Prinzip der Opferung" scheint noch immer gesellschaftsimmanent zu sein, mit dem grausamen Zusatz, dass mittlerweile die professionellen "Menschenopfer-Austreiber" am medialen Altar reale Opferungen vornehmen. Die Griechen wussten sehr wohl um die stellvertretende Position ihres Sündenbocks (pharmakos), ihnen genügte, auf diese Art Übel abzuwenden. Den Medienmogulen heute reicht dies schon lange nicht mehr. Niemand wird vertrieben, sondern alle dem einem geopfert: Konformität. Widerstand mag vergeblich erscheinen, denn gleich der Hydra verdoppeln sich die Köpfe der Mediengiganten, schlägt man sie ab. Herakles gelang es trotzdem, Hydra zu vernichten, so besteht auch für uns noch Hoffnung, die medialen Ungeheuer zu besiegen.

So fügt sich auch der Ablauf der Performance in dieses Konzept der Gegenwehr ein.

Sei es das Outfit der Künstler, das irritieren soll, und die aggressive Degradierung von Sexualität aufzeigt, sei es die symbolische Zerstörung von medialen Machtinstrumenten. Keinesfalls sollen alte Ursache-Wirkungs-Schemata zum Tragen kommen, da sie dazu verführen, auf alten, anachronistischen Bahnen zu verbleiben. (Die Kausalität hat schon seit Überwindung des Newtonschen Weltbildes ausgedient, wird jedoch nach wie vor als Wahrheit verkauft, wenn es von Nutzen ist. Hurennoise auch als eine Kampfansage gegen Utilarismus.)

Vielmehr werden gewohnte Bahnen verlassen, neue mediale Wege beschritten.


¹ Die Schriften Sir Thomas Brownes (1605 – 1682) sind geprägt von der Baconschen Philosophie, und somit auch von einer unbändigen Neugier auf alles Wissenschaftliche in Bezug auf Natur. 1658 veröffentlichte Browne zwei zusammenhängende Diskurse, Hydrotaphia - Urn Burial und The Garden of Cyrus. Inspiriert dazu hat ihn der Fund eines bronzezeitlichen (etwa 2100 – 700 v.u.Z.) Urnenfeldes in Norfolk. Als eines der bedeutsamsten Kapitel gilt das fünfte, in dem Browne die Unsicherheit des menschlichen Schicksals der Sicherheit des Todes gegenüberstellt, die Flüchtigkeit des menschlichen Seins also als eines der Grundprobleme der Menschen seit jeher ansieht.